Wirtschaft

Ab 2020 soll es eine Mindestvergütung für Auszubildende geben

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Nach dem Mindestlohn kommt die Mindestausbildungsvergütung. Künftig sollen Azubis mindestens 515 Euro bekommen.

Ein Auszubildender setzt eine Schweißnaht. Ab 2020 sollen Azubis mindestens 515 Euro erhalten.

Die Politik bekam es nicht geregelt, also nahmen sich die Sozialpartner des Themas an: Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer und der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann haben der Bundesregierung einen Vorschlag unterbreitet über die Höhe der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung (MAV). Vom kommenden Jahr an sollen Azubis im ersten Jahr mindestens 515 Euro bekommen. Dann geht es in 100-Schritten weiter, also auf 615 Euro im zweiten und 715 Euro im dritten Ausbildungsjahr. Doch Ausnahmen sind möglich: Die Betriebe sollen diese Untergrenze unterschreiten dürfen, wenn eine geringere Ausbildungsvergütung in einem Tarifvertrag geregelt ist. Davon erhoffen sich Sozialpartner und Politik eine höhere Tarifbindung.

Eine ähnliche Ausnahmeregelung gab es auch in den ersten Jahren nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro zum 1.1. 2015. Der Mindestlohn ist mittlerweile auf 9,19 Euro gestiegen, von 2020 an sind es 9,35 Euro. Die Erhöhungen ergeben sich aus der allgemeinen Tariflohnentwicklung in den beiden vorausgegangenen Jahren. Nach diesem Vorbild soll künftig auch die Mindestausbildungsvergütung steigen.

Die Bundesregierung setzt damit unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eine Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag um. „Wir werden eine Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz verankern“, heißt es da. „Das Gesetz soll bis zum 1. August 2019 beschlossen werden und zum 1. Januar 2020 in Kraft treten.“

Dieser Zeitplan wäre kaum zu schaffen gewesen ohne Kramer und Hoffmann, da sich das CDU-geführte Bildungsministerium nicht mit dem SPD-geführten Arbeitsministerium verständigen konnte. Das gute persönliche Verhältnis des Arbeitgeberpräsidenten zum DGB-Vorsitzende ermöglichte dann den Kompromiss, mit dem sich Hoffmann indes ziemlich weit von der eigenen Basis entfernt: Der DGB-Bundeskongress hatte vor einem Jahre eine Mindesthöhe von 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen beschlossen, das waren damals 635 im ersten Ausbildungsjahr sowie 696 und 668 Euro in den Folgejahren. Hoffmann ließ sich nun auf 515 Euro für das erste Lehrjahr ein, dafür akzeptierte Arbeitgeberpräsident Kramer die deutlichen Erhöhungen im zweiten und dritten Jahr.


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Handwerk besonders betroffen

Bevor Kramer einwilligte, bat er noch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer um Zustimmung. Denn ein Großteil der beruflichen Ausbildung findet im Handwerk statt, und hier gibt es auch die Branchen, die zum Teil deutlich weniger als 500 Euro an ihre Azubis zahlen. Wollseifer gab Grünes Licht, obgleich bundesweit rund ein Fünftel der Ausbildungsbetriebe im Handwerk künftig mehr zahlen muss; im Westen sind es deutlich weniger, im Osten deutlich mehr.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat bereits im vergangenen Jahr Auswirkungen einer Mindestvergütung von 500 Euro berechnet: Elf Prozent der Betriebe müssten demnach mehr zahlen. Da in Ostdeutschland die Ausbildungsvergütungen deutlich unter Westniveau liegen, wären hier sogar 32 Prozent aller Ausbildungsbetriebe betroffen. Im ersten Jahr müssten die Betriebe im Schnitt 1161 Euro mehr ausgeben je Azubi. „Stark betroffen wären insbesondere kleinere Betriebe, Betriebe im Handwerk und Betriebe in Ostdeutschland“, schreibt das BIBB in seiner Analyse. „Der ökonomischen Marktlogik folgend“ befürchtet das Bundesinstitut einen Rückgang der Ausbildungsbereitschaft. Gleichzeitig würde wegen des höheren Entgelts die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen steigen. „Im ungünstigsten Fall würde dies zu einer Erhöhung der Zahl unversorgter Bewerber/-innen in stark von der Mindestausbildungsvergütung betroffenen Bereichen führen.“

Ob mehr Geld mehr Azubis lockt, ist jedoch zweifelhaft. Ein gutes Betriebsklima, gute Übernahmechancen beziehungsweise sichere Arbeitsplätze werden von Jugendlichen „als besonders wichtig angesehen“, hat die jüngste BIBB-Bewerberberumfrage ergeben.

Die Befürworter einer Mindestausbildungsvergütung verweisen auf die Wirkungen des gesetzlichen Mindestlohns, der vor allem in Ostdeutschland Hunderttausenden höhere Einkommen gebracht hat und dabei entgegen der Prognosen von Ökonomen und Arbeitgebern keine Arbeitsplätze kostete. Höhere Personalkosten, das zeigen die Erfahrungen, werden durch höhere Produktivität ausgeglichen und/oder sie werden an die Kunden weitergereicht.

Das gilt demnächst ganz besonders für den Friseursalon: In Berlin bekommt ein Friseurlehrling im ersten Ausbildungsjahr heute 350 Euro; im zweiten Jahr sind es 430 und im dritten 501 Euro. Nach Angaben der Innung lernen derzeit rund 1000 junge Leute in Berlin den Friseurberuf. In keiner anderen Branche wird sich die MAV so stark auswirken wie hier.

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