Wirtschaft

Burgfrieden der Autobosse

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Industrie und Politik diskutieren die Dynamik der Elektromobilität. Und VW kooperiert mit Northvolt bei Batteriezellen.

Animation. So könnte die Zellfabrik von Northvolt aussehen, die derzeit im Norden Schwedens geplant wird.

Der Streit, den Volkswagen-Chef Herbert Diess mit seiner Festlegung auf batterieelektrische Fahrzeuge ausgelöst hatte, ist angeblich beigelegt. In einem „sehr kurzen, konstruktiven Gespräch“ hätten sich Diess und die Chefs von Daimler, Dieter Zetsche, und BMW, Harald Krüger, sowie VDA-Präsident Bernhard Mattes am Mittwochabend auf eine „gemeinsame Position“ verständigt, sagte am Donnerstag ein Sprecher des Branchenverbands. Einen Dissens bei den „großen Linie“ habe es nicht gegeben, dies sei allen Gesprächsteilnehmern „nach wenigen Minuten klar gewesen“, hieß es bei einem Teilnehmer der Runde. An anderer Stelle war indes von einem eher brüchigen Burgfrieden die Rede.

“European Battery Union”

VW teilte unterdessen eine Kooperation mit dem Northvolt-Konsortium mit, das eine großindustrielle Batteriezellenfertigung im Norden Schwedens vorbereitet. Mit weiteren Partnern habe man sich zu einer „European Battery Union“ zusammengefunden. „Vorrangiges Ziel ist ein deutlich umfassenderer Kompetenzaufbau bei der Batteriezellfertigung“, teilte Volkswagen mit. Man beteilige sich auch an der Ausschreibung des Bundeswirtschaftsministeriums, das eine Milliarde Euro als Anschubfinanzierung für eine Batteriezellfertigung hierzulande bereitstellt. Mehr als 30 Unternehmen aus allen möglichen Wirtschaftsbereichen, vom Autohersteller über Chemiefirmen bis hin zu Recyclingspezialisten, haben sich im Ministerium gemeldet.

Vorrang hat die Infrastruktur

Das Thema Elektromobilität war der Auslöser des jüngsten Dissens im Autoverband gewesen. Das Vorpreschen von VW-Chef Diess, der sich nicht lange mit Hybridfahrzeugen aufhalten will, sondern voll auf rein elektrische Antriebe setzt, verwundert viele in der Branche. Die Vorstandsvorsitzenden der großen drei deutschen Hersteller, also VW, BMW und Mercedes, verständigten sich nun allgemein auf den Ausbau der Elektromobilität – inklusive der Förderung von Plug-in-Hybriden. Auch die stärkere Fokussierung (und Förderung) auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie die Stärkung der Nachfrageseite sei ein gemeinsames Ziel. Dies müsse nun mit der Politik diskutiert werden. „Der Ausbau der Infrastruktur und die politische Flankierung haben absolute Priorität“, hieß es bei einem Autohersteller am Donnerstag. Es ergebe keinen Sinn, auf den Aufbau mehrerer Infrastrukturen – für Ladesäulen, Wasserstofftankstellen oder synthetische Kraftstoffe – gleichzeitig zu setzen. Die Autobosse gehen davon aus, dass mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellenautos in den nächsten zehn Jahren nicht marktreif seien. Der VDA will in Kürze die gemeinsamen Positionen der Hersteller und Zulieferer veröffentlichen.

Tempolimit ist kein Thema mehr

Während die Hersteller ihren Streit vorerst beigelegt haben, geht die Diskussion auf der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität kontrovers weiter. Am Donnerstag tagte erneut die Arbeitsgruppe 1, die sich mit Fragen des Klimaschutzes und des Verkehrs beschäftigt. Vor einigen Wochen war von Mitgliedern der AG in der Öffentlichkeit heftig diskutiert worden, welche Relevanz ein Tempolimit hierzulande für den Klimaschutz haben könnte. Am Donnerstag war das kein Thema. Es ging vielmehr um die Frage, wie viele Elektroautos im kommenden Jahrzehnt erwartet werden können – mit Blick auf die erforderliche Infrastruktur (Ladesäulen, Energienetze), die realistische Nachfrage und das Angebot der Hersteller. Entsprechend wurde die Frage diskutiert, wie viele Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor noch Ende der 2020er Jahre gebaut werden können.

Schwierige Arbeitsgruppe

In der Arbeitsgruppe sitzen 20 Vertreter aus Industrie und Umweltverbänden, dazu die Bahn, der ADAC. der Fahrradclub ADFC und die IG Metall. Am kommenden Montag will die Arbeitsgruppe ihre Beratungen fortsetzen. Die Bundesregierung hat die Plattform Zukunft der Mobilität eingerichtet, die insgesamt sechs Arbeitsgruppen umfasst. Ziel der Plattform ist ein „weitgehend treibhausgasneutrales und umweltfreundliches Verkehrssystem, welches sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr eine effiziente, hochwertige, flexible, verfügbare, sichere, resiliente und bezahlbare Mobilität ermöglicht“.

Northvolt baut in Schweden

Der VW-Konzern hatte als weltweit größter Autohersteller mit der Manipulation von Abgasreinigungsanlagen in Dieselfahrzeugen diese Antriebe erheblich in Verruf gebracht. Das war Ende 2015. Nun setzt Volkswagen mit seinen Marken – darunter Audi und Skoda, Seat und Bentley – so energisch auf Elektromobilität wie kein anderer Hersteller. Mit der neuen „European Battery Union“ will sich VW mit seinen Partnern aus mehreren EU-Ländern der gesamten Wertschöpfungskette widmen: von der Rohstoffbeschaffung über die Zelltechnologie bis hin zum Recycling. Teilnehmer des Konsortiums seien Partner aus Industrie und Forschung, die Führung liege bei VW und Northvolt. Das Projekt Northvolt wurde unter anderem von ehemaligen Tesla-Managern aufgelegt und wird zum Beispiel von Volvo, Vattenfall und BMW unterstützt. Die Europäische Investitionsbank ist mit einer Anschubfinanzierung von 52 Millionen Euro dabei. Wenn die Pläne von Northvolt Realität werden, dann sind indes rund vier Milliarden Euro erforderlich, um Zellen für 600 000 Elektroautos zu produzieren.

„Die Zusatzbeiträge werden weiter steigen“

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