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„Drei Männer im Schnee“ am Gärtnerplatz, oder: Die schönste Silvesterparty zum Jahr 1933

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Das Gärtnerplatz Theater in München hat aus Kästners „Drei Männer im Schnee“ eine Operette gemacht – mit Erfolg. Gute Laune trifft mulmiges Gefühl.

München – Eine diffuse Bedrohung am Horizont. Die große Party vor dem Abgrund. Die Endphase der 1920er und die beginnenden 1930er Jahre kommen erschreckend vertraut daher dieser Tage. Und so passt die Operetten-Adaption von Erich Kästners Novelle „Drei Männer im Schnee“ ebenso erschreckend wie verzaubernd gut in den aktuellen Spielplan des Gärtnerplatz Theaters in München.

Dort tanzen die drei Männer im Schnee: Armin Kahl (Fritz Hagedorn), Erwin Windegger (Eduard Tobler) und und Alexander Franzen (Johann Kesselhuth) treten in einem Tiroler Heimat-Winter-Paradies von der Wirtschaftskrise zur Silvesterparty 1933 an. Verwirr- und Wechselspiel, Kinderchor und tolle Musik inklusive. 

1933. Ein Jahr, auf das sich der alte, stinkreiche liberale Tobler, der erfinderische und arbeitslose Revoluzzer Hagedorn und der schwule Kammerdiener Kessehuth alle gleichsam naiv und glücklich freuen.

Das ist die eine Tragik, die in Kästerns Novelle immer wieder auftaucht, in der Gärtnerplatz-Version nur kurz und leise ein paar mal angerissen wird. Dieser Gegensatz tritt in Kästners Novelle, dem es mehr um das soziale Experiment geht, gar nicht so prominent auf. Hier auf der Drehbühne im großen Tanz durch Hotel-Lobby und Winterlandschaft am Gärtnerplatz trifft er. Und er wird nicht jedem gefallen, was der Inszenierung dafür so viel mehr gibt, als sie als Revueoperette behauptet zu sein.

Die andere Tragik ist Kästnerns Sozialexperiment: Ein Arbeitsloser wird mit einem Multimillionär verwechselt – und muss damit leben. Die Geschichte flieht vom krisengeplagten Berlin ins schöne Winter-Tirol, viel schöner als das Original auf der Gärtnerplatz-Drehbühne abgebildet.

Am Vorabend des Untergangs trifft 50er-Jahre-Heimatfilm 30er-Jahre-Revue, immer alles leicht ironisch verzerrt bei fulminanter Musik, die verdammt gute Laune macht. Vom Walzer in Moll über Swing und Ragtime bis zu Musical-Einzelnummern, die jedem Charakter, auch abseits der drei Männer neben der ganzen lauten Party ein bisschen Tiefe geben. Und dem Stück den Rhythmus. Musikkabarettist Thomas Pigor und seine Mitstreiter Konrad Koselleck, Christoph Israel und Benedikt Eichhorn zeichnen sich hierfür verantwortlich.

Freilich. Regie und Komposition hätten noch wilder, irrer, abgedrehter werden können. Bei der wohl ersten Ski-Step-Nummer der Musikgeschichte und den Soli von Frau Calabré (Sigrid Hauser) kommen die Ansätze des Wahnwitzes durch. Aber vielleicht hätten die Macher damit auch die feine Ironie ein Stück kaputt gemacht.

Was bleibt? Am Ende der Uraufführung, nach langem, dankbaren Applaus mit Standing Ovations des Premieren-Publikums, klingen beim Hinaustreten ins kalte München die Melodien im Kopf noch nach. Und es bleiben viel gute Laune und ein bisschen mulmiges Gefühl zum Start von 2019.

„Drei Männer im Schnee“ wird noch bis Sonntag, 10. März, im Theater am Gärtnerplatz gespielt.

Lesen Sie eine ausführliche Kritik zur Uraufführung der Revue-Operette „Drei Männer im Schnee“ am Gärtnerplatz auf Merkur.de*.

„Drei Männer im Schnee“ im Gärtnerplatz – die Handlung

Der arbeitslose Fritz Hagedorn gewinnt das Preisausschreiben des Tobler-Konzerns: Urlaub im Grandhotel. Konzernchef Tobler erringt unter falschem Namen den zweiten Preis und reist auch dorthin: Er will erleben, wie man ihn als armen Schlucker behandelt. Diener Johann begleitet ihn als reicher Mann. Haushälterin Kunkel informiert das Hotel. Tobler und Hagedorn werden dort verwechselt. Hagedorn verliebt sich in Toblers Tochter Hilde. Alles löst sich in Wohlgefallen auf.

„Drei Männer im Schnee“ im Gärtnerplatz – die Besetzung

Dirigent: Andreas Kowalewitz. Regie: Josef E. Köpplinger. Choreografie: Adam Cooper. Bühne: Rainer Sinell. Kostüme: Dagmar Morell. Darsteller: Erwin Windegger (Eduard Tobler), Julia Klotz (Hilde), Armin Kahl (Fritz Hagedorn), Alexander Franzen (Johann Kesselhuth), Dagmar Hellberg (Claudia Kunkel), Eduard Wildner (Portier Polter), Frank Berg (Hoteldirektor Kühne), Sigrid Hauser (Frau Calabré), Peter Neustifter (Toni Graswander) u.a.

kmm

*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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