Sport

Fußball-Zeitreise, 08.12.1993: Als ein Trinkbecher Rehhagel knapp verfehlte

0

Uli Borowka macht es wie die Fans: Er läuft jubelnd durchs Weserstadion.

Von Ben Redelings


Das dritte Wunder von der Weser findet am 8. Dezember 1993 statt. Werder Bremen spielt gegen den RSC Anderlecht und liegt nach 33 Minuten mit 0:3 hinten. An alles Weitere erinnert sich Uli Borowka heute noch gerne: “Das war nicht normal!”

"Das Stadion war doch schon fast leer. Ein Drittel der Zuschauer sind bereits in der Halbzeitpause abgehauen. Tja. Aber dann sind sie nach und nach wieder zurückgekommen." Werders Abwehrrecke Uli Borowka erinnert sich auch 25 Jahre später noch ganz genau an diesen verregneten Abend des 8. Dezember 1993. Werder Bremen spielt zu Hause in der Gruppenphase der Champions League gegen die Mannschaft aus Belgien, den RSC Anderlecht. Die Tage vor der Partie habe es fast ununterbrochen geregnet, weiß Borowka noch, und dass der Rasen an diesem Abend "knöcheltief" gewesen sei. Und Werder bekommt nicht nur vom Himmel eine kalte Dusche verpasst, sondern auch von den elf Belgiern auf dem Platz.

EUR 14,00 Jetzt kaufen

Völlig chancenlos liegen die Bremer bereits nach 33 Minuten mit 0:3 hinten. An diesem Abend funktioniert bei Werder fast gar nichts. "Die haben uns regelrecht vorgeführt. Das war grausam. Ganz, ganz grausam", erinnert sich Borowka und muss dann schmunzeln. "Was dann allerdings in der Halbzeitpause passiert ist, habe ich so auch noch nie gesehen gehabt. Unser Norweger, der Rune Bratseth, hat sonst nie was gesagt. Aber jetzt komme ich in die Kabine und da sehe ich gerade noch, wie er einen vollen Trinkbecher in Richtung von Otto (Rehhagel) schmeißt. Der Becher ist hinterm Trainer an die Wand geklatscht. Solche emotionalen Sprünge waren wir vom Rune gar nicht gewohnt."

Rehhagel fordert frische Trikots

Coach Otto Rehhagel bleibt dennoch ruhig. Das einzige, was er zur Mannschaft in der Pause sagt, ist, dass sie gucken soll, was noch zu machen ist. Man wolle sich schließlich gut aus der Affäre ziehen. Eine Sache ordnet er aber noch an: Die Werder-Profis sollen frische Trikots anziehen – vielleicht denkt sich Rehhagel, dass die Spieler dann wenigstens optisch nicht mehr wie eine Horde begossener Pudel aussieht. Doch auch diese Maßnahme fruchtet erst einmal nicht. "Bis zur 66. Minute ist uns weiter wenig gelungen", erinnert sich Borowka, "doch dann ging es ab. Dann hat es nur noch bumm, bumm, bumm gemacht. Ein Tor nach dem anderen!"

Wynton Rufer sorgt für ein sich wieder füllendes Stadion.

Der Neuseeländer Wynton Rufer ist es, der ganz Bremen mit seinem Treffer aus dem Tiefschlaf holt. Plötzlich ist nur noch Werder am Zug. Die Mannschaft des RSC Anderlecht wird überrollt. Gegenwehr? Die wird auf Seiten der Belgier fast komplett eingestellt. Der aufgestachelte Bratseth sorgt in der 72. Minute für den 2:3-Anschlusstreffer, ehe Bernd Hobsch nur acht Minuten später den Ausgleich erzielt. Menschen, die an diesem Abend die vollen neunzig Minuten im Stadion verbringen, bemerken, wie sich die Ränge langsam wieder füllen. Die Zuschauer kehren zurück. Auf dem Heimweg hatten sie die immer lauter werdenden Rufe aus dem Weserstadion registriert. Nun stehen sie mit aufgerissenen Augen auf der Tribüne und erkennen ihre eigene Mannschaft nicht wieder.

Wunder mit Makel

Für Werder gibt es nun kein Halten mehr. In der 83. Minute trifft Marco Bode zum 4:3 und nur wenig später sorgt Wynton Rufer mit seinem zweiten Tor an diesem Abend für einen zur Halbzeit nicht mehr für möglich gehaltenen 5:3-Sieg. Uli Borowka braucht für diese zweiten, wahnwitzigen 45 Minuten nur vier Worte: "Das war nicht normal!" Auch Trainer Otto Rehhagel möchte nach der Partie eigentlich gar nicht viel sagen. Das Ergebnis spräche schließlich für sich, lässt er die immer noch staunende Presse wissen und vermittelt den Eindruck, dass ja eigentlich jedem klar hätte sein müssen, dass Werder dieses Spiel noch dreht.

Doch einen kleinen Makel hat die Erinnerung an diese fantastische Nacht an der Weser, dem dritten Wunder nach den Spielen gegen Spartak Moskau 1987 und Dynamo Berlin 1988, für Uli Borowka bis heute: "Wir hatten mit dem AC Mailand, Porto und Anderlecht starke Gegner in der Gruppen, keine Frage. Aber wir hätten nicht unweigerlich ausscheiden müssen. Das waren schon Spiele im oberen Bereich." Doch diese ganz besondere Regennacht von Bremen vom 8. Dezember 1993 möchte auch Uli Borowka niemals mehr missen. Er sagt noch einmal schmunzeld: "Nee, das war echt nicht normal, was da abgegangen ist!"

Drexler markiert Doppelpack: Köln und Hamburg festigen Aufstiegsränge

Previous article

So läuft der 14. Spieltag: FCB knuddelt Kovac, BVB bekämpft Trauma

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Sport