Wirtschaft

Gegen moderne Sklaverei

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Die Bundesregierung bemüht sich um einen „Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ im Ausland.

Arbeiterinnen in einer Textilfabrik in Bangladesch.

Rund um den Gipfel der sieben wichtigsten Industrienationen (G7) im vergangenen Sommer in Elmau ist intensiv über Lieferketten und Verantwortung diskutiert worden. Aktuell streitet die Bundesregierung wieder über das Thema. Nach einem zwei Jahre dauernden öffentlichen Dialogprozess soll in diesem Herbst ein „Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) beschlossen werden. An diesem Donnerstag werden sich die Staatssekretäre der zuständigen Ministerien erneut mit dem seit Anfang Juni vorliegenden Entwurf auseinandersetzen – und sich wohl nicht einigen.

Die Federführung in der Debatte liegt beim Auswärtigen Amt, das für Menschenrechte zuständig ist. Seit fünf Jahren liegen die Leitlinien der Vereinten Nationen vor. Darin geht es um die Verantwortung von Unternehmen, die im Ausland investieren, für die Menschen- und Arbeitnehmerrechte vor Ort. In der Lieferkettendebatte zeigt sich, dass nach wie vor viele Unternehmen gar nicht genau wissen, welche Folgen ihre Wirtschaftstätigkeit im Ausland überhaupt hat. Die deutsche Wirtschaft fürchtet kostspielige Berichtspflichten oder gar Klagerechte von Betroffenen vor deutschen Gerichten. Das wünschen sich deutsche Nichtregierungsorganisationen wie beispielsweise die Weltläden und das Forum Fairer Handel, auf deren Initiative hin gerade 20 000 Briefe an die Kanzlerin geliefert worden sind.


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Unternehmen sollen Menschenrechte überall achten

Ganz so konkret ist der Nationale Aktionsplan aber nicht. Darin ist lediglich davon die Rede, dass die Bundesregierung von Unternehmen erwartet, im Ausland Menschen- und Arbeitsrechte einzuhalten. Im ursprünglichen Entwurf war noch das Ziel enthalten, dass bis 2020 die Hälfte der großen Unternehmen Verfahren zum Menschenrechtsschutz im Ausland erarbeitet haben müssten, sonst könnte es ein Gesetz geben. Doch selbst diese aus Sicht von Cornelia Heydenreich „schwache Formulierung“ ist in der Regierung offenbar umstritten. Heydenreich führt die Debatte für die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. In einer Studie in diesem Frühjahr hat sie herausgefunden, dass viele Unternehmen bereits ausführlich über ihre „menschenrechtliche Verantwortung“ im Ausland berichten, „auch kleine und mittlere Unternehmen“, heißt es in der Studie. Diese Firmen wollen vor allem eines: klare Regeln, die für alle gelten, um nicht Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen zu müssen.

Aus Regierungskreisen heißt es, dass sich vor allem das Finanzministerium mit dem Aktionsplan schwertut. Das Thema werde wohl im September im Koalitionsausschuss landen, vermuten einige, die nah an den Beratungen dran sind.

NGOs kritisieren die Zögerlichkeit der Regierung

Cornelia Heydenreich hat für die Zögerlichkeit der deutschen Regierung wenig Verständnis. Dem Tagesspiegel sagte sie: „Andere Länder haben verbindliche Regeln zur menschenrechtlichen Sorgfalt beschlossen.“ Sie verweist auf das französische Parlament, das „ein Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht“ verabschiedet habe. In Großbritannien gebe es seit 2015 ein Gesetz zur Verhinderung moderner Sklaverei, und in den USA gilt seit 2010 der sogenannte Dodd-Frank-Act. Darin ist geregelt, dass Firmen, die sogenannte Konfliktmineralien aus der Demokratischen Republik Kongo beziehen, Sorge dafür tragen müssen, dass die Minen nicht von bewaffneten Milizen betrieben werden. Das Gesetz bezieht sich auf lediglich vier Mineralien: Gold, Tantal, das aus Koltan gewonnen wird und in Handys verbaut wird, Wolfram und Zinn. Die Wirkung des Dodd-Frank-Acts ist umstritten. Im Ostkongo ist zeitweise jede Wirtschaftstätigkeit zum Erliegen gekommen. In der Europäischen Union wird seit Jahren diskutiert, ob und wie Konfliktmineralien in der EU geregelt werden sollen.

Das Thema Menschenrechte und Wirtschaft hat noch aus einem anderen Grund Konjunktur: Nach dem Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch stellten plötzlich viele Kunden in Deutschland und anderen Industrieländern sich und anderen die Frage, ob sie mit dem Kauf von Vier-Euro-T-Shirts nicht dazu beigetragen hatten, dass 1100 Arbeiterinnen ihr Leben verloren. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat mit dem Textilbündnis versucht, den Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu helfen. Zumindest darauf kann sich die Regierung im Herbst vielleicht dann doch einigen.

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