Wirtschaft

Macron lässt sich von niemandem beirren

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzt eine Reform nach der nächsten durch. Allen Protesten und Streiks der Bürgerinnen und Bürgerzum Trotz

Demonstranten protestieren gegen die Reformpolitik von Frankreichs Präsident Macron.

Emmanuel Macron treibt seine im Wahlkampf versprochenen Reformen mit höchster Eile voran. Dabei hat der französische Präsident ein Datum im Kopf: Die Europawahlen im nächsten Frühjahr. Er wird dann daran gemessen werden, was er bisher geleistet hat und ob er die Arbeitslosigkeit und Frankreichs Schuldenberg in den Griff bekommt.

In dieser Woche stellte er wieder unter Beweis, wie sehr er vorprescht. „Wir stecken einen Haufen Kohle in soziale Unterstützungen und den Leuten geht es nicht besser“, sagte er vor dem Kongress der Krankenversicherungen im südfranzösischen Montpellier. Seine Kommunikationsdirektorin Sibeth Ndiaye twitterte das Video – und seitdem diskutiert ganz Frankreich über seine Worte. Er sende damit eine Botschaft und bereite die öffentliche Meinung auf eine einschneidende Sozialreform vor, meinen Politikexperten.

Für seine liberale Wirtschaftspolitik wurde der Präsident schon von den linken Parteien kritisiert. So sagte sein sozialistischer Vorgänger François Hollande über ihn, er sei „der Präsident der sehr Reichen“. So denken offenbar auch viele Franzosen, denn auf zahlreichen Wänden in Paris steht geschrieben: „Macron, Frankreich ist nicht zu verkaufen.“ Dem rechten Spektrum gehen seine Reformen hingegen nicht weit genug.

Der Präsident hat schon eine Arbeitsrechtsreform durchgesetzt, die Unternehmen mehr Freiheiten einräumt. Arbeitszeiten und -abläufe sind seitdem flexibler möglich. Auch die Arbeitslosenversicherung hat er reformiert und Zuwendungen gekürzt. Bei allem regte sich Widerstand, doch Macron agierte schnell und so blieb nicht genug Zeit für den Protest. Vieles boxte er gleich im vergangenen Jahr in den Sommerferien durch. Damit vermied er die Mobilisierung von Studenten und Schülern, die in der Vergangenheit oft die großen Bewegungen antrieben. Vorgänger von Macron mussten Reformen aufgrund der Macht der Straße häufiger zurückziehen.


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Eisenbahner streiken seit Anfang April

Aktuell sorgen vor allem die Staatsbahn SNCF und die Landwirte für Schlagzeilen. Seit Anfang April streiken die Eisenbahner alle fünf Tage jeweils zwei Tage. Die Regierung will die hoch verschuldete SNCF sanieren und in eine staatliche Aktiengesellschaft verwandeln. Neue Mitarbeiter sollen in Zukunft nicht mehr den privilegierten Eisenbahner-Status bekommen. Damit hofft Macron auf mehr Wettbewerbsfähigkeit – die Streikenden fürchten jedoch eine schrittweise Privatisierung der SNCF, wenn der Personenverkehr 2020 für den Wettbewerb geöffnet wird.

Die umstrittene Reform kommt trotzdem: Das Parlament hat sie diese Woche schon beschlossen. Am Donnerstag verabschiedete sie der Senat mit großer Mehrheit. Vor den Senatoren hatte schon die Nationalversammlung grünes Licht gegeben. Einige der Gewerkschaften wollen dennoch weiter streiken und Druck auf die Verhandlungen machen, bei denen es um die Branchenvereinbarungen der Eisenbahner geht. Doch die Front bröckelt. Für Macron sieht es nach einer weiteren Bewährungsprobe aus, die er ziemlich gut bestanden hat.

Die Beteiligung an den Streiks ist im Verlauf der vergangenen Wochen zurückgegangen. Denn die Regierung fuhr keinen knallharten Kurs, sondern kam den Gewerkschaften in vielen Punkten entgegen, ohne bei den großen Linien entscheidend nachzugeben. Der französische Staat will unter anderem einen erheblichen Teil der hohen Schulden von 55 Milliarden Euro der SNCF übernehmen.

Die Franzosen sind zwiespältig, was die Bahnreform angeht. Einer Umfrage zufolge finden 54 Prozent die Protestbewegung nicht gerechtfertigt, 61 Prozent wünschen sich, dass die Regierung die Reform durchzieht. Die SNCF ist eine der wichtigen Bastionen von Frankreichs Gewerkschaften, das Risiko eines Generalstreiks ist groß. Macron handelte deshalb nicht mit eiserner Hand wie einst die britische Premierministerin Margaret Thatcher, die die Gewerkschaften in den 80er Jahren in die Knie zwang. Weil er schon seit Beginn seiner Amtszeit den Dialog mit den Gewerkschaften gesucht hat, könnte das Kräftemessen bei seinen Wirtschaftsreformen durchaus gelingen.
Frankreichs Staatsbeamte haben sich schon an mehreren Streiktagen vereint, um ebenfalls gegen die Reform- und Sparpläne auf die Barrikaden zu gehen. Sie legten einen großen Teil des öffentlichen Dienstes lahm, vom Gesundheitswesen über die Schulen bis zum Transport und Energiebereich. Bei den Protesten geht es um die geplante Einfrierung von Lohnerhöhungen, aber auch um Macrons Plan, bis 2022 120 000 Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen, um den Anteil der Staatsausgaben von 65,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes um drei Prozentpunkte zu reduzieren.

Studenten wollten „Elitesystem“ verhindern

Auch Frankreichs Landwirte sind unzufrieden. Sie haben in den letzten Tagen Raffinerien lahmgelegt und gegen Palmöl aus Asien protestiert. Sie fürchten, auf ihrem Biosprit sitzen zu bleiben, weil die Regierung dem Ölkonzern Total den Import von billigem Palmöl erlaubt hat. Die Bauern-Gewerkschaft FNSEA warnte, es drohe „der Tod der französischen Landwirtschaft“. Bei der Fluggesellschaft Air France, wo der französische Staat mit 14,3 Prozent beteiligt ist und wo für höhere Bezahlung gestreikt wurde, führte der Arbeitskonflikt kürzlich zum Rücktritt des Konzernchefs Jean- Marc Janaillac. Die Streiks sorgten bei Air France und bei SNCF zu geschätzten Schäden von 400 Millionen Euro.

Beim Thema Bildung gibt es ebenso heftige Proteste. Innerhalb von wenigen Monaten hat Macron das zentrale Verteilungssystem der Studenten revolutioniert. Vorher gab es ein Losverfahren, jetzt kommen gute Schüler zuerst auf die begehrten Studienplätze. Studenten und Schüler gingen gegen das neue „Elitesystem“ auf die Barrikaden. Vergebens. Das System wurde eingeführt.

Trotz aller Kritik an Macron steht dieser in den Umfragen viel besser da als seine Vorgänger Hollande und Sarkozy zur selben Zeit und kam zuletzt auf 47 Prozent Zustimmung – acht Punkte weniger als vor zwei Monaten. Allerdings liegt vor Macron noch die Neuorganisierung der Rentenversicherung. Er will die verschiedenen Rentensysteme harmonisieren, wodurch Privilegien vor allem für Beamte wegfallen sollen. Nur: Die Beamten sind gewerkschaftlich (mit 24 Prozent gegenüber elf Prozent aller Arbeitnehmer) besonders stark organisiert. Ein weiterer Machtkampf steht bevor.

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