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Russin aus Deutschland „wie Kriminelle“ behandelt

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Seit Mittwoch gilt in der Ukraine das Kriegsrecht, nachdem russische Schiffe am Wochenende drei ukrainische Militärboote in der Meerenge vor der Krim-Halbinsel angegriffen haben.

Offiziell nur in zehn grenznahen Regionen. Tatsächlich aber scheint der vorerst 30 Tage geltende Status auch völlig unbeteiligte Russen zu treffen, die lediglich dienstlich in die ukrainische Hauptstadt Kiew reisen wollen.

Präsident Poroschenko selbst twitterte am Donnerstag, es werde „keine Beschränkungen für Auslandsreisen von Ukrainern geben. Für russische Staatsbürger wird es diese Beschränkungen aber geben. Und ich denke, das ist auch gerechtfertigt.“

Не треба бігти до крамниць і скупати сірники та сіль. Ніяких обмежень на зняття депозитів, операцій з обміну валют, поїздок за кордон для українських громадян не буде. Для російських громадян ці обмеження будуть введені. І я думаю, що це цілком виправдано. pic.twitter.com/D9ohxiiInX

— Петро Порошенко (@poroshenko) November 29, 2018

Odyssee von Düsseldorf nach Kiew und zurück

Zum Opfer des ukrainischen Kriegsrechts wurde bereits am Montag eine in Deutschland lebende Russin. Swetlana L. (Name geändert) wandte sich an BILD, um über ihre Odyssee von Düsseldorf nach Kiew und zurück zu berichten. Die Russin, die bereits seit vielen Jahren in Deutschland lebt, arbeitet bei einem Nahrungsmittelhersteller in Norddeutschland, ist aufgrund ihrer Sprachkenntnisse für die Länder Osteuropas verantwortlich.

Am Montag wollte sie auf Einladung eines ukrainischen Geschäftspartners für zwei Tage nach Kiew. Doch bei der Passkontrolle am Flughafen Borispol in Kiew begannen die Probleme. Nach ihrem Gespräch mit dem Einreise-Beamten wurde ihr der Pass abgenommen und sie wurde gebeten, zu warten, während ihre Angaben geprüft würden.

Zwei Stunden später Gewissheit: L. dürfe nicht in die Ukraine einreisen. Der Grund: „Nicht genügend finanzielle Mittel.“ Ein Schock für die 33-Jährige. „Eigentlich waren die Beamten freundlich zu mir“, sagte L. zu BILD. „Es tue ihnen leid und ich hätte Pech, dass ich genau zu dieser Zeit gelandet sei. Seit 17 Uhr müssten sie ganz genau hinsehen und dürften kaum noch einen Russen einreisen lassen.“

L. wurde in den Duty-Free- und Abflugbereich gebeten, wo sie – ohne ihren Pass – die Nacht verbringen sollte, um am nächsten Tag mit der Düsseldorf-Maschine um 10.30 Uhr zurück nach Deutschland abgeschoben zu werden. „Im Laufe des Abends kamen immer mehr Russen und gesellten sich zu mir. Zuerst nur ein paar, später waren wir etwa 60.“ Sie habe sich mit drei anderen Frauen eine Bank zum Schlafen geteilt. „Wir haben keine Kissen und keine Decken bekommen und mussten uns Essen und Trinken selber kaufen“, sagte L. zu BILD.

Die sie beaufsichtigenden Grenzschutz-Beamten seien alles in allem freundlich zu den Russen gewesen. „Nur einmal hat ein junger Mann aus Moskau angefangen, sich bitterlich zu beschweren. Da haben sie ihren Vorgesetzten geholt, der ihm gesagt hat, er könne froh sein, dass er im Terminal bleiben dürfe und nicht über Nacht eingesperrt wird.“

Am nächsten Morgen und nach nur drei Stunden Schlaf („Ich habe nachts geweint und war schockiert über das, was passiert ist.“) wurde L. als Erste von zwei Beamten zu einer Maschine der „Ukraine International Airlines“ mit Ziel Düsseldorf gebracht. „Meinen Pass haben sie dem Kapitän gegeben. Ich habe mich wie eine Kriminelle gefühlt, als sie mich ins Flugzeug gesetzt haben.“ Immerhin, so L. zu BILD, habe sie den Rückflug nicht bezahlen müssen. „Das hat die Airline übernommen, glaube ich.“

Einen Satz haben ihr die ukrainischen Grenzschützer noch mit auf den Weg gegeben. L.: „‚Solange hier Kriegsrecht herrscht, kommen Sie lieber nicht wieder.‘ Ich glaube, das war ein gut gemeinter Rat. Die Männer wussten selber nicht, was sie machen. Das waren Anweisungen ihres Chefs.“

In Deutschland angekommen, musste L. noch zur Bundespolizei, die ihren Pass und ihre Ausweisungspapiere aus dem Cockpit erhielt. „Sie haben mich auch noch mal befragt, warum ich ausgewiesen wurde. Das war nicht schlimm, aber ich habe Angst, dass ich mit dem Vermerk im Pass nicht mehr in die Ukraine reisen kann oder vielleicht auch woanders Probleme bekomme.“

Nach fast 20 Stunden Odyssee wurde L. am Flughafenausgang endlich von ihrem deutschen Mann abgeholt. „Ich war so glücklich, dass ich endlich wieder zu Hause war. Er hat mir gesagt, ich soll Frau Merkel schreiben. Aber ich weiß nicht, ob das etwas hilft. Darum habe ich mich an BILD gewandt.“

In die Ukraine will L. auch in Zukunft reisen, kennt aber zurzeit noch keinen Termin. „Das ist meine Arbeit, die will auch auch weiterhin machen“, sagte sie zu BILD. Allerdings hoffe sie, dass der Kriegszustand in dem Land so bald wie möglich ende, damit sie wieder wie jeder andere behandelt werde. Laut dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko werde das aber nur passieren, wenn Russland nicht weitere aggressive Akte gegen sein Land ausführe.

BILD fragte das ukrainische Außenministerium zu den Regelungen für aus Deutschland einreisende Russen im Allgemeinen und den Vorwürfen von Swetlana L. im Speziellen. Bis Freitagmittag kam jedoch keine Antwort auf die am Donnerstagnachmittag gestellten Fragen.

Nur so viel war aus dem Außenministerium in Kiew zu hören: Jeder Fall eines aus Deutschland einreisenden Russen werde „gründlich geprüft“.

Aus Kreisen des ukrainischen Grenzschutzes erfuhr BILD, dass es „kein generelles Einreiseverbot“ für aus Europa einreisende Russen gebe, sondern lediglich „verstärkte Sicherheitsmaßnahmen“. Personen aus „Risikogruppen“ werde unter dem aktuell geltendem Kriegsrecht die Einreise in die Ukraine verweigert. „Zu dieser Gruppe gehören Männer mit russischer Staatsangehörigkeit sowie Menschen, die keinen Aufenthaltszweck bei der Überquerung der Staatsgrenze beweisen können.“

Warum Swetlana L. und knapp 60 weitere Russen am Montag nicht ins Land gelassen wurde, erklären diese Einlassungen trotzdem nicht. Erstens versuchte sie die Einreise bereits zwei Tage VOR Inkrafttreten des Kriegsrechts, zweitens zeigte sie sowohl ihre Einladung des ukrainischen Geschäftspartners als auch die Agenda des geplanten Treffens bei den Beamten in Kiew vor. Auch die Telefonnummer des vor dem Terminal mit einem Auto wartenden Geschäftspartners half nicht, die Ausweisung zu verhindern.

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