Wirtschaft

Sprachlerndienst Babbel weitet sein Geschäft aus

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Es läuft gut bei den Machern der Berliner Sprach-App Babbel. Mehr als 100 Millionen Euro setzen sie um. Jetzt gehen sie mit einem neuen Dienst an den Start.

Gründer Markus Witte schreckt auch vor dem US-Markt nicht zurück.

Wenn es um die erfolgreichsten Start-ups geht, ist schnell von den berühmten Einhörnern die Rede. So werden Jungunternehmen bezeichnet, denen Investoren einen Firmenwert von einer Milliarde Euro und mehr zuschreiben. Babbel ist nicht in diesem elitären Club, obwohl der Sprachlerndienst längst zu den größten und erfolgreichsten Berliner Start-ups gehört. Laut einer Analyse des Fachmagazins „Horizont“, das die finanziell erfolgreichsten Apps aus Deutschland im Zeitraum 2010 bis 2018 analysieren ließ, belegt Babbel hinter dem Musikdienst Soundcloud Platz Zwei.

Da stört der fehlende Einhorn-Status Chef und Gründer Markus Witte überhaupt nicht: „Eine Milliardenbewertung ist ja schön, doch richtig cool ist eine Milliarde Umsatz.“ Davon ist er zwar noch weit entfernt, trotzdem würden sich viele Gründer solche Einnahmen wünschen, wie Babbel sie verzeichnet. „Wir haben vergangenes Jahr die magische Schwelle von 100 Millionen Euro überschritten“, sagt Witte.


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Vor allem das Marketing kostet die Firma Geld

Das Unternehmen bietet mit seiner App zahlreiche Sprachkombinationen zum Lernen an. Für deutsche Muttersprachler gibt es dreizehn Sprachen zur Auswahl. Dazu kommen acht weitere Ausgangssprachen. Zuletzt wurde Polnisch ins Angebot aufgenommen. Dafür müssen alle Inhalte jeweils wieder neu produziert werden, da die Übungen auf die jeweiligen grammatikalischen Besonderheiten zugeschnitten werden.

Der Fokus liegt auch weniger darauf, weitere Sprachen zu ergänzen, sondern das bestehende Angebot an mögliche Kunden zu bringen. Zunächst können diese die Sprachlern-App kostenlos ausprobieren, danach kostet ein Abo zwischen fünf und zehn Euro im Monat.

Die Kosten dafür sind allerdings enorm: Mehr als 50 Millionen Euro gibt Babbel für Marketing aus. Gern setzt das Unternehmen dabei auf kreative Aktionen, wie eine Kooperation mit Netflix und der Serie „Narcos“: Mit Ausschnitten und Zitaten des Drogenbarons Pablo Escobar wurde eine Spanischlektion erstellt.

Unterm Strich stehen noch rote Zahlen

Eine hohe Millionensumme fällt zudem für die Gebühren an Apple und Google an, die im Schnitt ein Drittel der Einnahmen aus den jeweiligen App-Stores behalten. So stehen unter dem Strich weiter rote Zahlen. „In Zentraleuropa ist das Geschäft aber schon richtig profitabel“, sagt Witte. Die Verluste nimmt Babbel jedoch in Kauf, um weiterzuwachsen. Insbesondere in den USA, wo eine eigene Tochter gegründet wurde und das Unternehmen inzwischen über zehn Prozent der Umsätze erzielt. Mehr als eine Million Abos haben die Berliner allein dort inzwischen verkauft. „Trotzdem steckt das US-Geschäft noch in den Kinderschuhen, da ist noch viel Luft nach oben“, sagt Witte.

Einige Dinge mussten im dortigen Markt auch angepasst werden. So kommuniziert Babbel in den USA viel offensiver mit seinen Nutzern. „Wir können dort jeden Tag eine E-Mail schicken, das würde hier schon als Belästigung empfunden“, sagt Witte. Denn eine der großen Herausforderungen ist es nicht nur, Kunden zu gewinnen, sondern diese dann auch zu motivieren, die App regelmäßig zu nutzen, damit sie das Abo verlängern.

Immer wieder muss er das Programm mit seinem Team zudem an die Nutzer und deren Gewohnheiten anpassen. So hat Witte beobachtet, wie die Aufmerksamkeitsspanne sinkt: Wenn die Babbel-Nutzer früher das Programm öffneten, paukten sie im Schnitt zehn bis zwölf Minuten Vokabeln. Inzwischen sind es nur noch fünf bis sieben Minuten. Auch die Lektionen werden daher angepasst und verkürzt.

Weil die Firma so schnell wächst, muss Babbel umziehen

Etwa 750 Personen beschäftigt das Unternehmen inzwischen und obwohl sich das Bürogebäude in Berlin-Mitte über fünf Etagen erstreckt, reicht der Platz nicht mehr aus. Einige Teams haben daher Tische in zwei Co-Working-Spaces bezogen. Doch nun hat Babbel etwas Neues gefunden. Im kommenden Jahr wird das Unternehmen in die Andreasstraße am Ostbahnhof ziehen. Seit fast 20 Jahren steht dort direkt an den Gleisen ein altes Fabrikgebäude leer: der frühere Sitz der Firma Julius Pintsch, die einst Gasbeleuchtungen herstellte. „Wir haben dabei echt Glück gehabt“, sagt Witte. Schließlich ist es für Jungunternehmen immer schwerer, solche Standorte in zentraler Lage mit Platz für 1000 Leute zu finden. Auch in diesem Fall sollen verschiedene Konzerne ebenfalls an dem Gebäude interessiert gewesen sein. Doch nach dem Streit um den Google Campus in Friedrichshain-Kreuzberg, habe das eigene Image geholfen, den Vermieter zu überzeugen, glaubt Witte. „Wir kommen da auch im Kiez anders rüber, als Konzern XY, der den nächsten Campus baut.“

Schließlich unterscheiden sich Witte und sein Unternehmen von manch anderem aus der oft großspurigen und marktschreierischen Start-up-Szene. So auch in der Frage der Finanzierung. Obwohl Babbel schon 2007 gegründet wurde, hat das Unternehmen bisher „nur“ 30 Millionen Euro Kapital bei Investoren eingeworben. „Das ist ja im Vergleich ziemlich wenig“, sagt Witte. Und selbst diese Summe habe man bislang nicht komplett gebraucht.

Trotzdem will er in nächster Zeit vielleicht noch einmal Wagniskapital aufnehmen, um andere Unternehmen übernehmen zu können. „Wir haben ja bisher nur eine kleine Akquisition gemacht, das wird sich vielleicht ändern“, sagt Witte. Dabei gehe es weniger um mögliche Wettbewerber, sondern vor allem auch um ergänzende Technologien und Produkte, beispielsweise in Bereichen wie Spracherkennung.

Auch Sprachreisen will Babbel bald vermitteln

Wie das Unternehmen auf diese Weise sein Geschäft ausweitet, zeigt das Beispiel LingoVentura. Im Vorjahr hatte Babbel die Sprachreiseplattform gekauft, sie bildet nun die Grundlage für den neuen Service „Babbel Travel“, der im Laufe der kommenden Woche starten soll. Damit werden Sprachreisen von etwa 200 Anbietern in mehr als 30 Ländern vermittelt. „Bislang ist das erstaunlich undigital“, sagt Witte.

Während das Start-up und Sprachschulen sich anfangs als Konkurrenten betrachtet haben, hätten sie sich inzwischen gut arrangiert. „Beide Seiten haben verstanden, dass wir eine gute Kombination sind“, sagt Witte. Denn um eine Sprache wirklich zu lernen, muss man sie aktiv sprechen. Oft beginnen Nutzer daher mit der App und machen anschließend einen traditionellen Sprachkurs. Oder frühere Absolventen nutzen den Dienst, um ihre Kenntnisse aufzufrischen. Mit dem neuen Reiseangebot will Babbel selbst dabei helfen, Nutzer an Sprachschulen zu vermitteln und daran auch ein wenig mitverdienen.

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