Politik

Warum ein Komiker den Präsidenten schlägt

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Der Komiker Wolodimir Selenski (41) ist einer Prognose zufolge als Sieger aus der ersten Runde der Präsidentenwahl in der Ukraine hervorgegangen. Er trete am 21. April in einer Stichwahl gegen den amtierenden Staatschef Petro Poroschenko (53) an, teilte ein Zusammenschluss aus drei Meinungsforschungsinstituten am Sonntagabend in Kiew kurz nach Schließung der Wahllokale mit.

Den Nachwahlbefragungen zufolge erhielt Selenski rund 30 Prozent der Stimmen und Poroschenko auf 16,7 Prozent. Das war der Stand nach Auszählung von 37 Prozent der Stimmzettel am Montagmorgen bei der zentralen Wahlkommission in Kiew. Die frühere Ministerpräsidentin Timoschenko kam demnach mit 13 Prozent auf Platz drei.

Damit hat in der ersten Runde der Komiker den Präsidenten geschlagen. Warum?

Wie der Komiker den Präsidenten schlägt

Auf den Tag genau vor fünf Jahren traf ich einen Mann, der mit all seinen Worten und Gesten klarmachen wollte, dass er die Ukraine nach der Maidan-Revolution für immer verändern wird. Es war die Nacht des 31. März 2014, als Petro Poroschenko sein erstes Interview als Präsidentschaftskandidat – und der Ukraine, aber auch der gesamten Welt, via BILD ein Versprechen gab: „Ich werde meinen Konzern Roshen verkaufen, wenn ich als Präsident gewählt werde.“

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„Der Schoko-Oligarch“ – so nannten ihn bis dahin seine Kritiker. Mit dem Versprechen des Verkaufs wollte Poroschenko klarmachen, dass er es ernst meint mit seiner neuen Rolle.
Poroschenko wurde Präsident, aber hielt sich nicht an seine eigene Ankündigung. Eines von mehreren gebrochenen Versprechen, für das er heute die Quittung bekam: nur 18 Prozent, eine Klatsche für den amtierenden Präsidenten. Und er muss damit rechnen, dass er gegen den Komiker Selenski in der zweiten Runde in vier Wochen verlieren könnte.

Wie ist es soweit kommen?

Die Menschen, die auf dem Maidan protestiert hatten, sahen in Poroschenko ihren Hoffnungsträger, obwohl er einst selbst Wirtschaftsminister unter dem während der Revolution nach Russland geflüchteten Präsidenten ViktorJanukowitsch war. Sie hatten Hoffnung in Poroschenko, obwohl er Oligarch ist, obwohl er neben dem Schoko-Konzern einen eigenen TV-Sender besitzt.
Aber Poroschenko hat das Vertrauen so vieler Menschen nicht erfüllen können. Zu wenige Reformen, zu viele Skandale, keine echte Korruptions-Bekämpfung, nicht genügend Veränderung im Land.

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Woran liegt das? Poroschenko hat es mit dem Krieg im Osten begründet – und natürlich hat er damit zum Teil Recht. Noch immer sterben fast täglich ukrainische Soldaten und sind die Gebiete rund um Donezk und Lugansk in der Hand von Separatisten, die von Russland unterstützt werden.

Der Krieg schadet der Wirtschaft, es war Putins Strategie von Anfang an, die Ukraine so zu destabilisieren. Aus Angst, dass ein Erfolgsmodell in der Ukraine Druck auf ihn selbst in Russland machen könnte. Poroschenko hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel an seiner Seite, als der Krieg 2015 besonders heftig eskalierte und letztlich in Minsk ein Friedensvertrag unterschrieben wurde. Frieden gibt es bis heute nicht – aber der Krieg ist für viele in der Ukraine eben auch nicht das einzig dominierende Thema wie noch 2014 und 2015.

Zudem hat Poroschenko sich mit besonders lautstarken Forderungen und martialischen Auftritten unglaubwürdig gemacht. Auch wenn der amtierende Präsident es immer wieder verspricht, glaubt niemand wirklich daran, dass die von Russland annektierte Krim schon bald wieder zur Ukraine gehört. Und alle wissen, dass in einem „großen Krieg“, vor dem Poroschenko immer wieder gewarnt hat, die Ukraine gegen Russland kaum eine Chance hätte.

Poroschenko hat sich auch in seiner Wahl-Kampagne fast ausschließlich auf den Krieg konzentriert, kaum ein Wort über Reformen, Zukunft, Perspektive. Kaum ein Wort darüber, wie endlich der Durchschnittsverdienst der Ukrainer (rund 300 Euro im Monat) nach oben gehen kann, wie der Gas-Preis in den Griff bekommen wird, wie es mit der EU-Mitgliedschaft funktioniert.

Viele Menschen haben sich von Poroschenko abgewendet – und ausgerechnet jemanden gewählt, der überhaupt keine Erfahrung in der Politik hat: Wolodymyr Selenski! Er ist Star-Komiker, spielt in einer der bekanntesten TV-Serien des Landes selbst einen Präsidenten. Die Geschichte der Serie: Selenski wird als Lehrer gefilmt, wie er einen Wut-Ausbruch bekommt, als er über die ukrainische Politik und die Korruption spricht. Das Video macht ihn so populär, dass er schließlich Serien-Präsident wird.

Wahl in der Ukraine

Dieser Komiker will Präsident werden

Quelle: Reuters
1:48 Min.

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