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„Was hier passiert, ist ein stilles Massaker“

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Der Krisenstaat Venezuela befindet sich am Abgrund: Ein neuerlicher Stromausfall führte zu Schließungen von Schulen und Büros – bereits den zweiten Tag. Der neue Blackout hatte am 25. März begonnen, seither flackern die Lichter in der Millionen-Metropole Caracas nur sporadisch.

Wegen des Stromausfalls hat die venezolanische Regierung eine Verkürzung der Arbeitstage angeordnet. In Unternehmen und Behörden solle der Arbeitstag ab sofort um 14.00 Uhr enden, sagte Kommunikationsminister Jorge Rodríguez am Sonntag im Staatsfernsehen. Die Schulen würden weiterhin geschlossen bleiben. Die Maßnahmen seien notwendig, um eine stabile Stromversorgung sicherzustellen, sagte Rodríguez.

Die neue Krise folgt dem fast fünftägigen Horror-Stromausfall Anfang des Monats, bei dem tote Babys und Patienten in Krankenhäusern zu beklagen waren.

Jetzt schlägt eine Expertin gegenüber BILD Alarm: „Was hier passiert, ist ein stilles Massaker“, sagt Marcela Escobari vom Thinktank Brookings Institution. „Menschen sterben jeden Tag.“ Sie appelliert an die Weltgemeinschaft, nicht tatenlos zuzusehen.

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    Am Donnerstagabend gab es Medienberichten zufolge in weiten Teilen des südamerikanischen Landes kein Licht.

Doch die politische Pattstellung paralysiert Venezuela – und verhindert derzeit dringend benötige Hilfe aus dem Ausland. Seit Januar hat der Staat de facto zwei Präsidenten:

▶︎ Sozialisten-Machthaber Nicolás Maduro (56), der die Zügel fest in der Hand hält, weiterhin unterstützt von der Armee und dem Machtapparat.

▶︎ Interimspräsident Juan Guaidó (35), den der Westen und Lateinamerika als legitimes Staatsoberhaupt anerkennen, der jedoch außer dem Ausrufen von Protesten bisher wenig erreichen konnte.

Schuldzuweisungen von allen Seiten

Dementsprechend konträr fallen die Reaktionen auf den jüngsten Zusammenbruch der Elektrizitätsnetze aus: Maduro beschuldigte die USA und die Opposition, der Kollaps wäre durch Sabotage herbeigeführt worden. Guaidó hingegen machte das jahrelange Missmanagement der Regierung verantwortlich für die Misere.

Unterdessen kämpft die Bevölkerung praktisch im Dauernotstand nur noch ums Überleben: Internet und Telefonnetze sind fast komplett ausgefallen, 91 Prozent des Landes sind laut NGOs offline. Die Wasserversorgung in zahlreichen Bezirken ist zusammengebrochen, in den Läden verrotten ohne Kühlschränke die wenigen Lebensmittel. In Caracas musste das U-Bahnnetz stillgelegt werden.

Bei einer Inflation von einer Million Prozent reicht das Mindestgehalt nur mehr für täglich 600 Kalorien, das BIP ist in fünf Jahren um 50 Prozent geschrumpft, der Schuldenberg auf 150 Milliarden Dollar gewachsen, die Armutsrate liegt bei 90 Prozent.

Inmitten der täglichen Proteste der Widerstandsbewegung, in der auch Guaidós gerade von US-Präsident Donald Trump im Oval Office empfangene Frau Fabiana Rosales (28) eine führende Rolle spielt, wird Maduro immer unbeliebter: 80 Prozent der Bevölkerung seien gegen ihn.

Doch der Druck wächst auch auf Guaidó: Das Leben der Venezolaner wird nicht besser – im Gegenteil. Internationale Sanktionen, forciert von den USA, haben die Lage in dem wirtschaftlich ruinierten Staat verschlimmert. Derzeit trifft die Spirale der Eskalation vor allem die Bevölkerung. Ein „wahres Blutbad“ könne bei diesem Showdown nicht mehr ausgeschlossen werden, so Marcela Escobari von Brookings Institution.

„Moskau will Investitionen schützen“

Dazu ist Venezuela auch noch Spielball der Großmächte: Trump will eine Militärintervention gegen Maduro nicht ausschließen. Moskau schickte am Wochenende mit zwei Militärmaschinen Hundert Soldaten, Militärberater und Kriegsgerät nach Caracas.

Escobari aber spielt Russlands Machtdemonstration herunter: Moskau wolle seine Investitionen schützen, sei aber nicht interessiert an einem militärischen Abenteuer, glaubt sie. Man würde Maduro fallen lassen, wenn Russlands Interessen anderweitig gesichert werden können.

Heftiger jedoch sind die US-Reaktionen: Außenminister Mike Pompeo hätte laut dem State Department seinem Gegenüber Sergei Lawrow in einem Telefonat gesagt, die USA würden „nicht tatenlos zusehen, wenn Russland die Spannungen in Venezuela verschärft“. Trump wurde deutlicher: Russland müsse „raus aus Venezuela“, tönte er.

Wie es weitergeht: ungewiss. Fest steht: Irgendetwas muss sich ändern …

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