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Wieso ist „Nord Stream 2“ so umstritten?

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Frankreich macht Stimmung gegen die Gas-Pipeline „Nord Stream 2“. Drei einflussreiche US-Botschafter warnen Europa vor dem Projekt. Und morgen stimmt die EU über eine Änderung der Gas-Richtlinie ab, die alles kippen könnte.

Aber was verbirgt sich hinter dem russischen Gas-Projekt? Wer ist daran überhaupt beteiligt? BILD beantwortet die sieben wichtigsten Fragen.

Wo genau verläuft die Pipeline?

Die Unterwasser-Gas-Pipeline „Nord Stream“ transportiert seit 2011 russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland. Die Ostsee-Leitung beginnt in der russischen Küstenstadt Wyborg, nördlich von Sankt Petersburg, wo russische Binnen-Pipelines zusammenfließen. „Nord Stream 2“ soll parallel zur bisherigen Leitung laufen.

Ende 2018 waren bereits 370 Kilometer der neuen Leitung verlegt. Die Röhren sollen in die offene Ostsee führen und nach 1224 Kilometern Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern erreichen. Am Festland endet die Pipeline.

Die bereits bestehenden Pipelines führen durch keine Hoheitsgewässer der Anrainerstaaten im Ostseeraum, dafür aber durch die 200-Meilen-Zonen Schwedens, Finnlands und Dänemarks, die dort eigentlich das ausschließliche Recht zur wirtschaftlichen Nutzung des Meeres haben. Daher waren die Länder in das Genehmigungsverfahren eingebunden.

Wie viel Gas fließt da durch?

Durch die bestehende Pipeline „Nord Stream“ wurden 2017 rund 51 Milliarden Kubikmeter Gas transportiert. Das entspricht 93 Prozent der Maximalauslastung (55 Milliarden Kubikmeter).

Die Gesamtkapazität von „Nord Stream 2“ soll noch einmal genauso groß werden. Zum Vergleich: Der gesamte Gasverbrauch auf dem deutschen Gasmarkt lag 2016 bei rund 95 Milliarden Kubikmetern.

Knapp sechs Prozent des Gasverbrauchs wird durch inländische Produktion abgedeckt, auch Norwegen und die Niederlande sind für Deutschland wichtige Versorgerstaaten. Erdgas ist nach Mineralöl der zweitwichtigste Primärenergieträger im deutschen Energiemix. Im Jahr 2016 betrug sein Anteil am Primärenergieverbrauch 22,6 Prozent.

Aber: Für die ersten Nutzungsjahre ist geplant, einen Großteil des angelieferten Gases durch Deutschland in Richtung Tschechien zu transportieren – von dort aus gelangt es zu Abnehmern, die das Gazprom-Gas bisher über ukrainische Pipelines bekommen.

Wieso ist das Projekt so umstritten?

Innerhalb der EU ist die Sorge vor einer energiepolitischen Abhängigkeit von Putins Pipeline groß: Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre Sicherheit. Auch die Ukraine fürchtet, ihre milliardenschwere Rolle als Transitland für russisches Gas in die EU zu verlieren.

Die USA scheuen eine Zunahme der wirtschaftspolitischen Bedeutung Russlands. „Dass die EU von russischem Gas abhängig ist, birgt Risiken für Europa und den Westen insgesamt – und macht uns alle unsicherer. ‚Nord Stream 2‘ würde die Anfälligkeit Europas für russische Erpressungen im Energiebereich weiter erhöhen“, schrieben die US-Botschafter in einem Gastbeitrag für die Deutsche Welle.

Putin-Pipeline „Nord Stream 2"

Darum setzt die Pipeline Deutschland unter Druck

Quelle: BILD / Reuters, Next Animation
1:47 Min.

Unterstützt wird das Projekt von insgesamt acht Investoren, fünf davon kommen aus Europa. Darunter:
▶︎ das französische Energie-Unternehmen Engie,
▶︎ die BASF-Tochtergesellschaft Wintershall,
▶︎ die E.ON-Abspaltung Uniper,
▶︎ der österreichische Energie-Konzern OMV
▶︎ und die niederländische Royal Dutch Shell.

Finanzinvestoren unterstützen den Bau der Pipeline mit bis zu 950 Millionen Euro. Von den europäischen Geldgebern werden insgesamt 4,75 Milliarden Euro, also 50 Prozent der Gesamtkosten übernommen.

Was hat Gerhard Schröder damit zu tun?

Wenige Monate nach seiner Zeit als Bundeskanzler wechselte Gerhard Schröder in die russische Wirtschaft – genauer gesagt in den Aufsichtsrat der Nord Stream AG und später auch in den Aufsichtsrat des russischen Stahlkonzerns Rosneft.

Seit Juli 2017 ist Schröder Präsident des Verwaltungsrates für „Nord Stream 2“. In seiner Position ist Schröder mit der Aufsicht des Energiekonzerns und sogar dessen strategischer Leitung betraut. Gemeinsam mit einer weiteren Person könnte der Altkanzler also sogar selbst Verträge für die Gesellschaft unterschreiben.

  • Gasleitung „Nord Stream 2“

    Frankreich stellt sich gegen Putin-Pipeline

    Neuer Ärger um die Gas-Pipeline „Nord Stream 2“! Frankreich hat Bedenken – will bei einer EU-Abstimmung gegen das Projekt stimmen.

Schröders Nähe zu den russischen Staatsunternehmen und damit auch zu Russlands Präsident Wladimir Putin wird in Deutschland immer wieder heftig kritisiert. Der Grund: Schon während seiner Kanzlerschaft hatte sich Schröder für die Pipeline stark gemacht. Nach Schröders Wechsel von der Politik zur Nord Stream AG warfen viele Medien und Politiker ihm deshalb Lobbyismus vor.

Wo landet das „Nord Stream 2“-Geld?

Die Projektgesellschaft Nord Stream 2 AG ist in den Händen des russischen Gas-Riesen Gazprom. Die Tochtergesellschaft „Gazprom Gerosgaz Holdings“ mit Sitz in den Niederlanden hält alle Anteile an der Projektgesellschaft.

Anfangs war ein Joint Venture mit europäischen Energiekonzernen, u. a. E.ON (heute Uniper), Shell und OMV, geplant, die Konzerne sollten also am Eigentum an der Pipeline beteiligt werden – somit natürlich auch am durch die Förderung entstehenden Gewinn.

Doch es kam anders: Die zuvor ausgeschiedenen Energieversorger beteiligen sich je zu zehn Prozent an den Baukosten, erhalten jedoch keine Beteiligung an der Gesellschaft. Allerdings können die Unternehmen natürlich mit Gewinnen für die Veräußerungen auf dem europäischen Markt rechnen.

Aber zunächst gilt: An „Nord Stream 2“ selbst verdient nur Gazprom. Kontrollierender Eigentümer von Gazprom ist mit etwas mehr als 50 Prozent der Anteile der russische Staat.

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