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Wird Schweden das erste Land ohne Bargeld?

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Kopenhagen – Am Gemüsestand einen Kopfsalat, an der Würstchenbude eine Wurst, im Coffeeshop schnell eine Tasse Coffee-to-Go – und alles mit der Karte bezahlen? In Dänemark, Schweden und Norwegen ist das schon längst Alltag.

Die Länder Dänemark und Schweden gelten sogar als „Europameister“. Laut einer Statistik der Europäischen Zentralbank bezahlen Dänen nur noch 23 Prozent ihrer Einkäufe mit Bargeld. Die Schweden greifen nur noch bei 18 Prozent ihrer Einkäufe zu Münzen oder Scheinen. Der europaweite Durchschnitt liegt bei 79 Prozent. Die schwedische Reichsbank geht außerdem davon aus, dass die Zahl bis 2020 auf 0,5 Prozent sinken wird. Der Grund: Mehr und mehr Geschäfte weigern sich, Bargeld überhaupt anzunehmen. Professor Peter Öhman von der Universität Sundsvall (Schweden): „Vielleicht gibt es bald gar kein Bargeld mehr. Es kann sehr schnell gehen.“

▶︎ Der Trend ist nicht zu übersehen, und Schweden könnte – wenn es so weiter geht – das erste Land der Welt sein, in dem es keine Münzen und Scheine mehr gibt.

Die Entwicklung hat in Schweden und Dänemark außerdem dazu geführt, dass es kaum noch Bankautomaten oder Bankfilialen mit Kassen gibt. Touristen in Dänemark und Schweden tun sich deshalb oft sehr schwer, wenn sie Bargeld abheben wollen. Nur noch an den Flughäfen und am Bahnhof kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass man einen Automat finden wird.

Kein Bargeld – weniger Bakterien?

Die Skandinavier scheinen kaum Probleme mit ihrem bargeldlosen Leben zu haben, und vielen fällt es inzwischen sogar schwer, sich bei Reisen ins bargeldliebende Ausland mit genügend Cash einzudecken.

Die dänische Wirtschaftswissenschaftlerin Mia Olsen hat die Vorteile in einem Forschungsprojekt genau aufgelistet.

→ Die Anzahl der Raubüberfälle schrumpft

→ Schwarzgeld wird weniger, da der Geldstrom leichter überwacht werden kann

→ Es gibt weniger Krankheiten, da Münzen und Scheine voller Bakterien sind

→ Kartenzahlungen sind für die Gesellschaft billiger, denn die Produktion von Bargeld kostet. Auch die Geldtransporte verschlingen große Summen.

Bankchef Anders Dam von der Jyske Bank erkannte noch weitere Pluspunkte. So könne Terror ohne Cash nicht mehr so leicht finanziert werden, man könne Sozialbetrüger leichter fangen, und auch der Drogenhandel würde sinken.

▶︎ Mia Olsen ist bei ihrer Forschungsarbeit aber auch auf ein grundlegendes Problem gestoßen. „Viele Leute, die ich für meine Untersuchung befragt habe, sagten, dass sie das Gefühl für Geld verlieren und immer mehr ausgeben, als sie eigentlich dürften. Dafür gibt es bisher noch keine perfekte Lösung.“ Eine Idee – so Mia Olsen – wäre eventuell eine App mit einem „digitalen Geldbeutel“. Professor Peter Öhmann bestätigt dieses Phänomen, das auch in Schweden bekannt ist. „Digitales Geld wirkt leicht wie Monopoly-Geld. Es kann schwierig sein, sich dazu konkret zu verhalten.“

Protest von älteren Mitbürgern

Proteste gegen diese Entwicklung gab es bisher kaum. In Skandinavien ist man grundsätzlich und schon seit Generationen daran gewöhnt, dass vieles sehr öffentlich ist. Allerdings lieferte der schwedische Rentner-Verband PRO (Pensionärernas Riksorganisation) 2016 beim Wirtschaftsminister eine Petition mit 139 064 Unterschriften ab.

Der Verband forderte, dass Schweden sein Bargeld behält. Viele ältere Mitbürger hätten beim Umgang mit der Karte ein „ungutes Gefühl“. PRO-Sprecherin Christina Tallberg: „Heute braucht man für alles eine Karte oder ein Smartphone. Egal, ob du auf eine öffentliche Toilette musst oder mit einem Bus fahren willst. Das stresst viele ältere Bürger, die nicht immer die modernsten Smartphones haben und sich oft den PIN ihrer Karten nicht merken können.“

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