Politik

Seid ehrlich mit der Jugend!

0

Ein Kommentar aus dem Magazin BILD POLITIK

Eine neue Welle von Jugendprotesten geht durchs Land und treibt weite Teile der Politik vor sich her. Warum auch nicht? Solche Demonstrationen sind nachwachsende Demokratie.

Schwieriger wird es, wenn man sieht, wie Politiker bis hin zur Bundeskanzlerin sich vor den Protesten verneigen. Wer dasselbe will wie die Demonstranten, soll sie natürlich beklatschen. Politiker, die aber das Gegenteil vertreten, zum Beispiel die Kanzlerin, sollten das nicht tun. Es ist unehrlich und herablassend.

  • Deutsche „Fridays For Future“-Aktivistin

    Darum führt am Schulschwänzen kein Weg vorbei

    Die Studentin Luisa Neubauer (22) organisiert die Klima-Demos hierzulande. Ohne Schulschwänzen geht es nicht, sagt sie im Interview.

  • „Fridays For Future“

    Hunderttausende protestieren für mehr Klimaschutz

    Hunderttausende Jugendliche haben am Freitag weltweit für einen radikalen Kurswechsel hin zu mehr Klimaschutz demonstriert. Kundgebu…

Alle Politik ist das Verändern der Verhältnisse. Die Demonstranten wollen die Verhältnisse verändern, sie machen also Politik und sie wählen als Chiffre den Kampf „Jung gegen Alt“: Die Alten, die Politiker, haben das Internet nicht verstanden, denn sie sind ja alt. Sie nehmen den Klimaschutz nicht wichtig genug, weil sie nicht mehr so lange auf diesem Planeten zu leben haben wie die Jüngeren.

Im politischen Geschäft ist das ein bekannter Trick: die eigenen Interessen moralisch auf- und die der Gegenseite abzuwerten. Sei’s drum, nur eines muss klar sein: Wer so in die Arena steigt, den darf man bei Widersprüchen und Irrtümern stellen, und davon gibt es reichlich. Wer mit den Politikern auf Augenhöhe streiten will, braucht – und will – keinen Welpenschutz. Wer Augenmaß oder politische Kompromisse für zukunftsvergessen oder böse hält, sollte sich warm anziehen.

Die Politiker haben nicht recht, nur weil sie Politiker sind. Aber auch die Jungen nicht, nur weil sie jung sind. Den letzten dieser zwei Sätze wollen die allermeisten Politiker nicht aussprechen, warum? Vielleicht, weil sie das neue politische Engagement der Jugend an sich gut finden. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass sie die Jungen in Wahrheit nicht ernst nehmen, schon gar nicht als inhaltliche Herausforderung der Regierungslinie etwa beim Klimaschutz. Anders ist nicht zu erklären, warum Kanzlerin und Justizministerin öffentlich Demonstranten belobigen – die zumeist etwas ganz anderes fordern, als die Regierung tut.

Zugegeben, es ist ein schmaler Grat: Niemand will eine engagierte Jugend vor den Kopf stoßen, aber trotzdem muss dagegen halten, wer anderer Meinung ist und den eigenen Argumenten traut. So erwachsen, das auszuhalten, sollten alle sein, auch die Jungen. Kritik an ihren Vorstellungen ist nicht automatisch Altersstarrsinn oder Berliner Polit-Verschwörung.

In der Politik wie im Leben ist die Wahrheit auf dem Platz, in der Praxis. Jung und laut zu sein, ist ein Privileg, aber kein Selbstzweck.

Erdogan wird zum Gemüsehändler

Previous article

Mehr Leben retten

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Politik