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„Wir wollen Putin ärgern, wo es nur geht“

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Wladimir Putins Zustimmungswerte sind so niedrig wie noch nie. Nur noch 33 Prozent der Russen vertrauen ihrem Präsidenten – eine Halbierung im Vergleich zu 2015.

Doch wie kann die russische Opposition daraus Profit schlagen und was plant Putin-Feind Nummer 1, Alexej Nawalny, um das Regime 2019 ins Wanken zu bringen?

Zu diesen Fragen äußerte sich am Donnerstag Leonid Wolkow, Stabschef und Wahlkampfmanager von Alexej Nawalny, der in der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP) zu Besuch war.

Zwei große Projekte haben Nawalny und seine Partei „Russland der Zukunft“ für 2019 geplant:

▶︎ Das erste ist eine Webseite namens „Clever Wählen“. Hier könnten sich Menschen aus allen 92 Bundesbezirken (inklusive annektierter Krim und Sebastopol) registrieren und erfahren, welcher Oppositionskandidat – gleich welcher Partei – gegen den jeweiligen Putin-Kandidaten in ihrer Region die höchste Siegchance hat.

Hintergrund ist, dass die Kandidaten von Putins „Einiges Russland“ oft mit 30 bis 40 Prozent der Stimmen gewinnen, weil die anderen Stimmen auf eine ganze Reihe von Oppositionskandidaten verteilt sind. „Wir informieren die Menschen, wer bei ihnen die größte Chance hat, den Kandidaten des Kreml zu schlagen. Damit wollen wir Putin und ‚Einiges Russland‘ ärgern, wo es nur geht“, so Wolkow in Berlin.

▶︎ Das zweite große Vorhaben in diesem Jahr ist das „Nawalny Gewerkschafts-Projekt“. Es sei keine echte Gewerkschaft, wie Wolkow betont, sondern „ein Versuch, Ungleichheit und Ungerechtigkeit für viele Millionen“ zu bekämpfen. Für mehr als sechs Millionen Russen in einem bestimmten Teil der öffentlichen Dienstes (Lehrer, Ärzte, Krankenpfleger usw.) ist das Gehalt in Russlands Regionen seit einigen Jahren gesetzlich reguliert. Sie sollen zum Beispiel 100 Prozent, 150 Prozent oder 200 Prozent des regionalen Durchschnittseinkommens bekommen.

Wolkow erklärt: „Laut Putins regionalen Stellvertretern bekommen sie, was ihnen zusteht. Doch wir haben herausgefunden, dass viele statt beispielsweise 40 000 Rubel nur 15 000 oder 20 000 Rubel im Monat verdienen. Über 9 000 Menschen haben sich auf unserer Homepage bereits registriert und ihr zu niedriges Gehalt offengelegt. Damit können wir die Regierung mit Fakten unter Druck setzen und der Lüge überführen.“

Das Ziel: „Entweder sie können die zugesicherten Gehälter nicht zahlen, dann beweisen wir, dass Putin versagt. Oder sie schaffen es irgendwie, die Gehälter anzupassen. Dann bekommen die Betroffenen, was ihnen zusteht und wir profitieren auch, weil jeder weiß, dass wir dafür verantwortlich sind.“

Wolkow erklärt Putins mächtigen Propaganda-Apparat

Dazu erklärte Leonid Wolkow, wie die russische Staatspropaganda funktioniere, um die Menschen weiter unter Kontrolle zu behalten.

Russland sei ein Land reich an Rohstoffen. Von den Erträgen gingen jedoch bildlich gesprochen „80 Prozent an die herrschende Elite rund um das Regime, 10 Prozent an die Bevölkerung und 10 Prozent in die Propaganda-Kampagne, die den Menschen versichert, dass es ihnen so gut geht wie nie zuvor“.

Ein anderes Beispiel sei der Missbrauch des selbst verursachten Konflikts in der Ukraine: „Wenn Sie Regime-Medien gucken oder lesen – und heute werden fast alle Medien in Russland vom Regime kontrolliert – dann bekommen Sie den Eindruck, dass Russland ein sehr kleines Land ist, das komplett von der Ukraine umzingelt wurde. 41 Prozent der russischen Jugend gibt an, dass es ihr größter Wunsch sei, Russland eines Tages zu verlassen. Und in den Abendnachrichten hören Sie, dass ein Demonstrant in Kiew einem anderen Demonstranten auf den Kopf gehauen hat.“

Putin's popularity ratings are falling, #Skripal poisoners have been ID'd as GRU/GU agents, massive protests are taking place in Magas, Ingushetia over a border deal with Chechnya – guess what they're talking about ALL DAY on #Russia's state TV? #Ukraine, Ukraine, Ukraine. pic.twitter.com/NQAURy5tYE

— Julia Davis (@JuliaDavisNews) October 10, 2018

Zuletzt merkte Wolkow an, dass auch die westlichen Sanktionen dem Regime von Wladimir Putin in die Hände spielten. „Sektorale Sanktionen, also beispielsweise gegen die Gasindustrie oder bestimmen Produkte, treffen nur die Bevölkerung. Im Kreml wird jedes Mal eine Party gefeiert, wenn neue Sanktionen dieser Art verhängt werden. Denn damit kann man den Westen für alles Unheil und alle Probleme in Russland verantwortlich machen.“

Stattdessen müsse es personenbezogene Sanktionen geben und dies nicht nur gegen Politiker, sondern auch die Oligarchen, mithilfe derer Putin das Land kontrolliere. „Stellen Sie sich vor, Millionär X könnte nicht mehr nach Nizza fliegen oder Millionär Y würde seine drei Villen in London verlieren. Die würden im Kreml Schlange stehen und Putin zum Einlenken auffordern“, so Wolkow.

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