Politik

„Habecks Twitter-Ausstieg ist ein Fehler“

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Experten kritisieren Social-Media-Rückzug – „Es ist eine tiefe Schramme in der Erfolgsgeschichte der Grünen“

Erst tauchten private Chats mit der Familie im Netz auf, dann hagelte es schon das zweite Mal Spott und Kritik wegen Wahlkampf-Äußerungen auf Facebook.

Nun hat Robert Habeck genug. Unter der Überschrift „Bye bye, Twitter und Facebook“ kündigte der Grünen-Politiker am Montag auf seinem Blog an, seine Konten auf Facebook und Twitter dichtzumachen.

Hintergrund: Der Grünen-Chef hatte sich am Sonntag mit einem Aufruf zur Unterstützung bei der Landtagswahl in Thüringen Spott und Kritik zugezogen. In einem von den Thüringer Grünen veröffentlichten Video sagte er: „Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land.“

Die Formulierung sorgte für Spott, Hohn, Kritik und Irritationen – zumal die Grünen in Thüringen derzeit mitregieren.

Und nun der Rückzug: Eine schwerwiegende Entscheidung. Denn: Auf beiden Kanälen hat Habeck ein Publikum von jeweils fast 50 000 Followern.

War es also eine voreilige und irrsinnige Entscheidung, den beiden Kommunikationskanälen den Rücken zuzukehren?

BILD hat mit Politik- und Medien-Experten gesprochen.

  • Habeck begründet Twitter-aUS

    „Ich beiß mir in den Ar***!“

    Grünen-Chef Habeck (49) hat angekündigt, sein Twitter-Profil zu löschen! Damit reagiert auf die heftige Kritik an seinem letzten Post.

  • Grünen-Chef auf Twitter

    Partei löscht Habeck-Tweet nach heftiger Kritik

    In einem Wahlkampf-Video spricht Robert Habeck dem Bundesland Thüringen indirekt seinen demokratischen Status ab.

▶︎ Werner Weidenfeld, Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung der Universität München, ist sich sicher, dass die Entscheidung ein Fehler war: „Das macht keinen Sinn. Twitter und Facebook gehören zur modernen politischen Kommunikation wie Sauerstoff zur Vitalität. Man kann nicht einfach sagen ‚Ich steige da aus‘. Der wird sich auch nochmal überlegen, ob das sinnvoll war.“

Und was bedeutet das für den Erfolg der Grünen?

▶︎ „Es ist ein ernst zu nehmender Fall. Habeck ist einer der Leistungsträger für den Erfolg der Grünen, er ist Architekt des politischen Wohlbefindens, welches die Grünen ausstrahlen. Dass er jetzt aus einer Schlüssel-Kommunikationsschiene der Politik aussteigt, ist ein schwerwiegender Rückschritt. Es ist eine tiefe Schramme in der Erfolgsgeschichte der Grünen.“

Auffällig ist für Weidenfeld außerdem, dass Habeck seinen Fauxpas viel einfacher hätte beilegen können – ein kompletter Rückzug wäre nicht nötig gewesen.

Medien-Psychologe Jo Groebel kritisiert Habecks Twitter-Ausstieg ebenfalls:

„Das Löschen zeugt nicht von einem souveränen Umgang mit eigenen Fehlern. Das Profil zu lassen und dort auch, wie ja vorher von ihm geleistet, sein Bedauern zu äußern, wäre kommunikativ klüger gewesen. Psychologisch könnte es darauf hindeuten, dass er eher noch die alte Politikermentalität vertritt, wo man Fehler peinlich findet und lieber als Ungeschehen verdrängen würde. Ein hoch ausgeprägtes analoges Selbstbewusstsein hat er ja, seine digitale Klugheit könnte hier noch gleichziehen. Sein jetziger Schritt trägt nämlich erst recht zu einer schnellen Verbreitung der Ungeschicklichkeit bei“, sagte Groebel zu BILD.

Der Politik- und Medienberater Martin Fuchs hält Habecks Entscheidung für „mutig und extrem selbstkritisch“.

Weiter erklärte er BILD: „Insbesondere in den letzten zwölf Monaten hat sich Habeck eine große und lebendige Community aufgebaut, die er schnell für die Verbreitung seiner Botschaften nutzen konnte. Auf diese in der schnelllebigen Politik nun als einziger Parteichef nicht mehr zurückgreifen zu können, ist ein Wagnis. Nun fehlen ihm eigene reichweitenstarke Kanäle. Die der Partei kann er ja auch nicht rund um die Uhr mit seinen persönlichen Statements bespielen.“

Auch Fuchs ist sich sicher: „Die Entscheidung war aber nicht richtig. Nachvollziehbar ja, aber langfristig nicht durchdacht.“

Fuchs erläuterte weiter: „Ja, wir alle machen täglich Fehler – auch Politiker. Und ja, digitale Kommunikation färbt auch auf unser analoges Leben ab. Aber wir müssen lernen, damit umzugehen. Nur weil vielleicht der Job an der Werkbank auf mein Priavteben abfärbt oder die Plakatanzeigen vor meiner Wohnung mich nerven, kann ich mir dieser ja auch nicht einfach entziehen. Ich würde sagen Kurzschlussreaktion.“

Möglicherweise werde Habeck zunächst Pluspunkte mit der Entscheidung sammeln, „da er ein gesellschaftliches Gefühl bedient, das all diese Netzwerke nicht gut für uns sind. Und weil er es eben wieder mal anders macht als die anderen Politiker.“

Übrigens: Bisher ist Habeck einer von wenigen, die sich diesen Schritt getraut haben. Fuchs zog Bilanz: „Seit der Bundestagswahl haben neun Bundestagsmitglieder (MdB, von 540 mit Account) ihren Twitter-Account gelöscht und elf MdB haben ihre Facebook-Fanseite geschlossen (über 95 Prozent haben eine Fanseite). Darunter waren wenige prominente Politiker. Meist war der Grund das sie Kosten/Nutzen-Verhältnis (keine Ressourcen, Zeit) nicht mehr angemessen fanden und in zwei, drei Fällen war es der Datenschutz. Also bisher kein politischer Trend.“

Fazit: Die Experten sind sich sicher – es war ein Fehler! Ausgeschlossen ist aber auch nicht, dass Habeck wieder auf Twitter und Facebook zurückkehrt. Ob er das allerdings genauso lautstark machen wird, wie seinen Abschied, ist zu bezweifeln.

Und bis dahin, bleibt ihm ja noch Instagram …

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