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Rumms! Erdogan droht Wahlschlappe auch in Istanbul

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Ankara fällt nach vorläufigem Ergebnis an die Opposition

DAS wird dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (65) gar nicht gefallen: Bei den Kommunalwahlen hat seine AKP offenbar die Hauptstadt Ankara verloren, ähnlich knapp wird es auch in Istanbul.

Nach einer dramatischen Wahlnacht sieht auch die türkische Wahlbehörde YSK die Opposition im Rennen um das Bürgermeisteramt in der wichtigen Wirtschaftsmetropole Istanbul vorne – um Haaresbreite.

Das berichten die Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP unter Berufung auf ein Interview, dass der Wahlleiter dem türkischen Fernsehen gegeben hat.

  • Erdogans Innenminister

    Vier Tote bei Kommunalwahl in der Türkei!

    Bei der Kommunalwahl in der Türkei sind vier Menschen ums Leben gekommen. Das bestätigte der Innenminister.

Es geht um knapp 28 000 Stimmen

Demnach führte der Kandidat der Mitte-Links-Partei CHP, Ekrem Imamoglu, am Montagmorgen mit 27 889 Stimmen vor dem Kandidaten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim. „Für Ekrem Imamoglu habe ich bisher die (Stimmen-)Zahl 4 159 650. Für Herrn Binali sind 4 131 761 Stimmen im System eingetragen“, sagte YSK-Chef Sadi Güven in dem TV-Interview.

▶︎ Offenbar legen beide Parteien noch Beschwerden ein. Dafür sind drei Tage Zeit, wie Güven sagte. ABER: Es seien immer noch nicht alle Ergebnisse „ins System eingetragen“. Die Resultate von 84 Urnen fehlten noch.

Sowohl die AKP als auch die Opposition hatten in der Nacht den Sieg für sich reklamiert. Präsident und Parteichef Recep Tayyip Erdogan sagte in der Wahlnacht in Ankara vor seinen Anhängern, die Partei werde falls nötig das Ergebnis anfechten.

Istanbul war lange AKP-regiert. Das Ergebnis kommt einem Denkzettel für die AKP und Erdogan gleich. In der Stadt am Bosporus hatte er in den 1990er Jahren als Bürgermeister seine politische Karriere begonnen.

Erdogan sagte, seine Regierung werde sich nach den Kommunalwahlen auf die Umsetzung eines starken Programms für die Wirtschaft konzentrieren. Der Präsident hat die Wahlen zuvor als Frage des Überlebens für sein Land bezeichnet.

Unklar, wann Wahlausgang um #Istanbul feststeht. Staatliche Stellen verzögern offenbar Bekanntgabe. Tendenz und Aussagen der Beteiligten gehen dahin, dass #Erdogan-Partei #AKP 4 der 5 größten Städte der #Türkei verloren hat – inklusive der 14-Millionen-Metropole.#Kommunalwahl

— Metin Gülmen (@GuelmenM) April 1, 2019

Erdogan verliert Ankara

Bittere Niederlage auch in der türkischen Hauptstadt: Erstmals seit der Regierungsübernahme vor 16 Jahren hat der Präsident in Ankara eine Niederlage einstecken müssen.

Nach Auszählung fast aller Stimmen lag Mansur Yavas von der Oppositionspartei CHP mit 50,9 Prozent fast vier Punkte vor dem Kandidaten der AKP.

Nach den letzten verfügbaren Teilergebnissen der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu verloren die AKP und ihr Bündnispartner MHP außerdem die Touristen-Hochburg Antalya und das südtürkische Adana an die Opposition. Die Küstenmetropole Izmir ging erneut klar an die CHP, sowie sämtliche Provinzen an der Westküste der Türkei.

► Die AKP dominierte wie auch bei vergangenen Wahlen Zentralanatolien. Landesweit bleibt die AKP aber deutlich die stärkste Partei. Die AKP hat demnach 44 Prozent aller Stimmen auf sich vereint. Damit liegt sie bei einem ähnlichen Ergebnis wie bei der Kommunalwahl von 2014.

Für Kritik sorgte, dass die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu ab Mitternacht die Ergebnisse auf ihrer Wahl-Website für einige Stunden nicht mehr aktualisierte, wie lokale Zeitungen berichten. Schon bei Abstimmungen in den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Manipulationsvorwürfe gegeben.

Rund 57 Millionen Türken waren am Sonntag aufgerufen, in 81 Provinzen Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Um 16 Uhr (MESZ) schlossen die Wahllokale. Rund 53 000 Polizisten und Sicherheitskräfte waren im Einsatz, um die Stimmabgaben zu sichern.

CHP-Kandidat wirft AKP Manipulation vor

In der Wahlnacht ging es vor allem in Istanbul lange Zeit hin und her …

Am späten Abend lag AKP-Kandidat Binali Yildirim mit 48,7 Prozent praktisch gleichauf mit dem CHP-Kandidaten Ekrem Imamoglu. Obwohl am Abend noch nicht alle Stimmen ausgezählt waren, rief Yildirim seinen Sieg aus.

Imamoglu warf ihm deshalb „Manipulation“ vor. Spät in der Nacht beanspruchte er selbst in einer Rede den Sieg in Istanbul für sich. Die Ergebnisse zeigten, dass seine Partei uneinholbar vorne liege.

Türkei steht wirtschaftlich schlecht da

Der Wahlkampf war von Beobachtern als einer der schmutzigsten der vergangenen Jahre beschrieben worden. Erdogan hatte die Wahl zur Frage des „nationalen Überlebens“ angesichts der Bedrohung durch innere und äußere Feinde erklärt. Obwohl Erdogan selbst nicht zur Wahl stand, hielt er binnen zwei Monaten mehr als 100 Kundgebungen und machte so den Urnengang auch zu einer Abstimmung über seine eigene Politik.

Dabei war die Wirtschaftslage nicht günstig für die AKP: Erstmals seit zehn Jahren ist die Türkei in die Rezession gerutscht, die Inflation liegt bei 20 Prozent und kurz vor der Wahl sorgten starke Schwankungen der Währung für zusätzliche Nervosität in Ankara. „Die Wirtschaft läuft schrecklich, sie ist erledigt“, sagt der Wähler Hüsnü Acar bei der Stimmabgabe in Istanbul. Nicht die Türkei, sondern die AKP habe „ein Überlebensproblem“.

Deutsche als Wahlbeobachterin in der Türkei

Am Mittag gab es in Südostanatolien auch Behinderungen der europäischen Beobachterdelegation. In der Kurden-Metropole Diyarbakir wurden die italienischen Wahlbeobachterinnen Sonia Helene Rosset und Noemi Colombo vorübergehend festgenommen.

AUCH Die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz (Grüne) ist für ihre Partei als Wahlbeobachterin in der Türkei.

Aymaz gestern zu BILD: „Wir sind als Beobachter seit 7 Uhr in Diyarbakir unterwegs. Hier herrscht eine bedrückende Stimmung. Die Menschen haben Angst zu reden, aber sind sehr froh darüber, dass internationale Wahlbeobachter vor Ort sind. Wir werden immer wieder von Sicherheitskräften kontrolliert. An den Wahllokalen werden wir auf eine freundliche Weise von Polizeibeamten abgewiesen. Wir hatten nur einmal die Möglichkeit, kurz in ein Wahllokal reinzukommen und mit lokalen Politikern zu reden.“

Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP gewann nach Teilergebnissen einige Gemeinden unter Zwangsverwaltung im Südosten des Landes zurück. In Diyarbakir etwa lag die HDP nach Angaben von Anadolu deutlich vorn. Nach dem Putschversuch vom Juli 2016 hatte Ankara zahlreiche Bürgermeister der HDP wegen angeblicher Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK abgesetzt.

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